Katrin Langes Brief an die SPD im Wortlaut: „Ich habe auch selbst Fehler begangen“ – exklusiv

Nach ihrem Rücktritt als Brandenburgs Innenministerin zieht sich Katrin Lange auch aus der SPD-Spitze zurück. Vor dem Parteitag findet sie noch einmal deutliche Worte.
Im August 2013 wurde Katrin Lange stellvertretende Vorsitzende der SPD Brandenburg. Auf demselben Parteitag, auf dem Dietmar Woidke zum Parteivorsitzenden gewählt wurde. Lange, die damals Amtsdirektorin in Meyenburg in der Prignitz war, trat unter Woidke auch in die Landesregierung ein, war erst Staatssekretärin, ab 2019 dann Finanzministerin, nach der Landtagswahl 2024 wurde sie Innenministerin. Sie blieb es nur fünf Monate lang: Nach einem Konflikt entließ sie den Chef des Brandenburger Verfassungsschutzes, wurde daraufhin auch aus der eigenen Partei scharf angegriffen und trat am 16. Mai zurück.
Der Berliner Zeitung hat Katrin Lange das erste Interview nach ihrem Rücktritt gegeben. Sie schildert darin ihre Sicht auf den Konflikt, erklärt eigene Fehler und rechnet mit Teilen ihrer Partei ab. Das Interview erscheint in der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung und am Freitagabend online.
„Es ist hinter meinem Rücken gegen mich intrigiert worden“Am Sonnabend trifft sich die SPD Brandenburg in Cottbus zum Landesparteitag. Katrin Lange wird nicht mehr für den Vorstand kandidieren – und auch nicht hinfahren. Sie hat ihrer Partei stattdessen einen Brief geschrieben, den wir hier im Wortlaut dokumentieren:
„Liebe Genossinnen und Genossen, nach zwölf Jahren trete ich nicht erneut zur Wahl als eure stellvertretende Landesvorsitzende an. Es war mir immer eine Ehre und meistens eine Freude. Ich bedanke mich für die gute Zusammenarbeit im Landesvorstand, vor allem bei Dietmar Woidke und Ines Hübner, aber auch bei allen anderen, die es betrifft.
Wir haben in dieser Zeit mit Dietmar Woidke drei Landtagswahlen erfolgreich bestritten. Unter meist schwierigen Umständen; viele politische Beobachter hatten der märkischen SPD einen Erfolg nicht zugetraut. Bei anderen Wahlgängen waren die Ergebnisse durchwachsen – so wie zuletzt bei der Bundestagswahl. Die SPD ist hier im Land immer dann am erfolgreichsten, wenn sie mit einem klaren und eigenständigen Profil als ‚Brandenburg-Partei‘ auftritt.
Uns kam dabei seit jeher zugute, dass wir ein Haus mit vielen Zimmern waren, eine Partei, die ein breites Spektrum der Wählerschaft ansprach, und dass wir so auftraten, wie es Matthias Platzeck immer formulierte: Mit dem Gesicht zu den Menschen! Ich zweifle daran, ob das heute noch so ist.
Dass ich beim Streit um die Hochstufung der AfD keine gute Figur gemacht habe, weiß ich selber. Ich habe dabei auch selbst Fehler begangen. Aber was ich im Zuge dessen innerparteilich erlebt habe, das geht über das Maß des Erträglichen hinaus, das ich bereit war zu akzeptieren.
Deshalb war mein Rücktritt als Innenministerin unausweichlich; und deswegen kandidiere ich nicht mehr als eure stellvertretende Landesvorsitzende. Mir ist aus der eigenen Partei vorgeworfen worden, „rechtsextreme Diskurse“ zu bedienen. Mir ist von Parteifreunden die „sozialdemokratische DNA“ bestritten worden. Es ist in Partei und Fraktion hinter meinem Rücken gegen mich intrigiert worden. Anderen passten meine „inhaltlichen Positionierungen“ zu bestimmten Themen nicht.
„Wir müssen als SPD Brandenburg breit aufgestellt bleiben“Ich möchte dazu sagen: Meine Politik entsprach eins zu eins dem Koalitionsvertrag, den wir hier einstimmig gemeinsam beschlossen haben. Und den Vereinbarungen mit den Landkreisen, die Teil dieses Vertrages sind. Alles andere ist die Unwahrheit. Ich befürchte, wenn dieser Umgang miteinander Schule macht, dann geht die SPD Brandenburg schweren Zeiten entgegen.
Ich meine, die SPD muss offen sein für jene Debatten, die die Menschen im Land bewegen. Sonst könnte sich unsere gesellschaftliche Verankerung weiter lockern. Wir erleben die bedenkliche Verengung der Meinungskorridore in der Partei und die Ersetzung von Diskussionen durch Denunziationen schon länger – Stichworte Corona, Ukraine, Umgang mit der AfD oder auch Energiewende. Wenn wir diese Debatten nicht mehr mit Anstand führen, dann heißt das nicht, dass sie nicht mehr stattfinden. Sie finden statt im Land – aber nicht mehr bei uns.
Vor einiger Zeit hat mich Mike Schubert angerufen. Ich habe mich darüber sehr gefreut. Mike und ich stehen für zwei sehr unterschiedliche Richtungen in unserer Partei, wir sind inhaltlich oft auseinander. Seine Abwahl und mein Rücktritt haben nichts miteinander zu tun; der zeitliche Zusammenhang ist rein zufällig. Am jeweiligen Gang der Dinge haben wir beide selber unseren Anteil. Wir wissen das. Aber nicht nur von außenstehenden Beobachtern wird die Frage gestellt, was der fast gleichzeitige Abgang zweier so unterschiedlicher Akteure wohl für die Zukunft der Brandenburg-Partei bedeuten könnte. Darüber haben wir uns unterhalten.
Wir beide finden: Wir müssen als SPD Brandenburg breit aufgestellt bleiben, wenn wir auch künftig noch landesweit Erfolg haben wollen. Und wir bleiben im Gespräch.
„Manches gehört in der Politik dazu, manches nicht“Liebe Genossinnen und Genossen, ihr hattet es nicht immer leicht mit mir. Und ich zuletzt nicht mit manchen von euch. Manches gehört in der Politik dazu; manches nicht. Ich werde im Sommer über dieses und jenes nachdenken und mir Zeit für mich nehmen.
Ich möchte mein Mandat als Landtagsabgeordnete wahrnehmen und mich an der Arbeit konstruktiv beteiligen. Manchmal auch kritisch. Wir haben uns gemeinsam für diese Koalition entschieden, und ich möchte meinen Beitrag leisten, um sie zum Erfolg zu führen.
An unserem Parteitag in Cottbus werde ich nicht teilnehmen. Das ist nach dem jüngst Vorgefallenen nicht möglich. Deswegen nutze ich diese Gelegenheit, um mich von euch als stellvertretende Landesvorsitzende zu verabschieden. Ich wünsche euch einen guten Parteitag mit guten Beschlüssen. Denn es geht um Brandenburg. Mit besten sozialdemokratischen Grüßen
Katrin Lange“
Berliner-zeitung